Abenteuer Ausland: Ljubljana - Die Stadt der Drachen
Bericht zum Auslandsaufenthalt in Slowenien
Land und Stadt: Vielfältig und trotzdem einzigartig
Ljubljana (dt. zu Großelterns Zeiten: Laibach) ist klein – für eine europäische Hauptstadt wirklich erstaunlich klein. Eigentlich aber gar nicht verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass ganz Slowenien so groß ist, wie das Bundesland Hessen. Zum Vergleich: Die Leipzig wäre in Slowenien mit doppelt so vielen Einwohnern größte Stadt. Und dennoch tun die überschaubare Größe der Stadt und des Landes der Auslandserfahrung keinen Abbruch, im Gegenteil.
Slowenien liegt zwischen Italien, Österreich, Kroatien und Ungarn. Die vielfältigen Einflüsse schmelzen in der noch jungen, ex-jugoslawischen Republik auf erstaunliche Art und Weise zusammen: Kulinarisch (von Espresso bis Gulasch), kulturell (von deutschen bis jugoslawischen Eigenheiten), architektonisch (von Brutalismus-Platten bis Wiener Jugendstil) und vor allem geographisch: Wenn man innerhalb von einer Stunde vom Nationalpark der Julischen Alpen bis an die mediterrane Adriaküste fahren kann, dann ist das Slowenien.
Und wer jetzt denkt, die Slowenen hätten keine eigene Identität, liegt weit daneben: Das umweltbewusste und outdooraffine Volk hat sich einfach die besten Seiten der Nachbarn einverleibt – die politischen Trends in eben diesen Ländern aber glücklicherweise nicht. Ich würde behaupten, dass es in Osteuropa kein europäischeres Land gibt. Ungarische Verhältnisse sind hier fast undenkbar, dafür sind die Menschen viel zu offen und selbstlos – nicht nur gegenüber Studierenden aus dem Ausland.
Sprachkurs im Spätsommer: Perfekter Einstieg
Warum sollte man Slowenisch lernen, eine Sprache, die weniger als zwei Millionen Menschen sprechen? Ganz einfach: Der dreiwöchige Sprachkurs im September (Faculty of Arts; 75 Euro, 3 ECTS) bietet die beste Gelegenheit, das Land und die Mentalität bereits vor Semesterbeginn kennen zu lernen. Mit der slawischen Sprache haben Deutsche beim Erlernen zwar durchaus ihre Schwierigkeiten, viele Wörter werden dann aber doch erstaunlich Deutsch ausgesprochen – also sollte man sich nicht von den wenigen Vokalen in den Wörtern verunsichern lassen und immer daran denken, dass es die Franzosen und die Spanier noch viel schwerer haben. Zudem kommt man auch im restlichen Balkan mit ein paar Grundlagen in Slowenisch sehr gut über die Runden. Odlično! (zu dt. „großartig“)
Studieren an der Faculty of Electrical Engineering: Nicht ohne!
Da die Regelstudienzeit meines Studiums Wirtschaftsingenieurwesen Elektrotechnik nur sechs Semester beträgt, entschied ich, meine Bachelorarbeit um ein halbes Jahr zu verschieben, um noch einmal in einem anderen Land zu studieren.
Als Wirtschaftsingenieur ist das Studieren an der elitären Wirtschaftsfakultät in Ljubljana nicht möglich, da diese nur Kapazitäten für ihre eigenen Studenten hat, sodass ich alle Module an der Faculty of Electrical Engineering belegte: Conventional Energy Sources, Lighting Engineering und Electrical Power Networks and Devices.
Alle drei Kurse sind Masterveranstaltungen und mit 6 ECTS vereinheitlicht. Die Teilnehmerzahlen dieser beschränkten sich jeweils auf 6 – 10 (sowohl Erasmus- als auch slowenische) Studenten, was sehr angenehm für die Lernatmosphäre ist. Die Vorlesungen und Seminare/Praktika finden jeweils einmal wöchentlich statt, wobei die Lehrveranstaltungen ähnlich verlaufen wie in Leipzig. Die Seminare/Praktika hingegen sind deutlich praxisbezogener und meist verbunden mit kleineren Projekten.
Ich lernte während des Semesters drei Computerprogramme: Matlab, PSCad und DiaLux. Nicht gerade wenig, wenn man bedenkt, dass uns im Bachelor kein einziges Programm gelehrt wurde. Dank der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Dozenten und slowenischen Studenten sollte dies jedoch kein Problem darstellen.
Das Niveau differiert stark von Kurs zu Kurs, ist im Grundsatz aber mit Leipziger Verhältnissen vergleichbar. Strukturelle Unterschiede gibt es in der Anzahl der Abgabeleistungen, die für einen Kurs zu erledigen sind. So stehen in den meisten Modulen sowohl mündliche, als auch schriftliche Prüfungen am Ende des Semesters an. Häufig kommt noch die Anwesenheitspflicht in den einzelnen Praktika (teilweise auch hier Abgaben) hinzu.
Im Modul Lighting Engineering wiederum bestand die Prüfungsleistung aus einem einwöchigen Projekt in DiaLux am Ende des Semesters, in welchem man eine Raumbeleuchtung mit ausführlichem technischen Bericht und anschließender Präsentation planen sollte.
Leben und Reisen
Vielleicht das Beste am ganzen Auslandssemester ist hier das subventionierte Essenssystem („Študentski Boni“): Damit bekommt man in einer Vielzahl an Restaurants ein Menü mit drei Gängen für einen Betrag zwischen 0 und 4,37 Euro. Die Anzahl der subventionierten Gerichte reicht ungefähr für jeden Wochentag des Monats, also braucht man sich nur noch am Wochenende selbst zu versorgen. Großartig!
Die Wohnsituation wird auch in Ljubljana zunehmend anspruchsvoll. Am besten sucht man sich entweder etwas im Stadtteil Rošna Dolina nahe der Fakultät oder in der schöneren und teureren Innenstadt. Ich habe letzteres getan und wohne in einer internationalen 5er-WG mit anderen Erasmus- Studierenden. Zentrales Wohnen bereichert definitiv das Leben in der Stadt, sei es durch die hohe Anzahl an Boni-Restaurants oder die Cafés und Bars am Fluss Ljubljanica in unmittelbarer Nähe. Auch die Sehenswürdigkeiten wie die Burg über der Stadt und die zahlreichen Kulturangebote sind dann fußläufig zu erreichen.
Über die Reisemöglichkeiten müsste ein weiterer Erfahrungsbericht geschrieben werden, so reichhaltig sind die Optionen in und um Slowenien: Gerade im September und im Oktober bieten sich Wochenendausflüge an, ich war zum Beispiel in allen umliegenden Ländern. Slowenien selbst punktet mit atemberaubenden Landschaften wie dem Triglavski Narodni Park. Zum Ende des Semesters kann man zudem noch Wintersportangebote nutzen.
Während sich die Trips des Erasmus Student Networks (ESN) gut zum Kennenlernen anderer Studierender anbieten, würde ich eher das Reisen auf eigene Faust empfehlen. Mit einem Mietwagen und einer Handvoll Leute, die man am besten schon im Sprachkurs kennen lernt, kommt man sogar günstiger rum und ist zudem deutlich flexibler.
Als Fazit bleibt mir nur noch zu sagen: Klare Empfehlung! In Slowenien kommen weder Leben, Reisen noch das Studieren zu kurz.
Zahlen und Fakten
- Einwohner: 280.000 in Ljubljana, 2 Millionen in Slowenien
- Semesterzeiten: Sprachkurs im September, regulär von Oktober bis Mitte Februar für das Wintersemester und von Mitte Februar bis Juni für das Sommersemester
- Erasmus-Förderung: 1100,- € (+ max. 300,- € vom slowenischen Staat durch die Boni)
Kostenvergleich zu DE:
- Lebensmittel: gleich oder teurer
- Bars & Cafés: günstiger
- Restaurants: weit günstiger durch Boni-System
- Reisen: günstiger (besonders Autovermietung)
- ÖPNV: günstiger (20,- im Monat für Bus-Abo)
- Miete: ab 120,- € für ein Bett im Wohnheim-Doppelzimmer und bis zu 450,- € für ein Einzelzimmer im Stadtzentrum