Dissertationspreis 2023 der Stiftung HTWK verliehen: Dr. Raphael al Diban forschte zur Qualitätssicherung beim Betrieb von Werkzeugmaschinen
Obwohl es in seiner Promotion nicht um Musik oder Filme, sondern um Werkzeugmaschinen geht, verbindet beide etwas: Der Kopf eines optischen CD- bzw. DVD-Lesegerätes, der sogenannte „Pick-up“. „Für meine Forschung habe ich den Lesekopf umfunktioniert und in ein neues Verfahren integriert, mit dem Aussagen über Schwingungen getroffen werden können“, sagt Dr. Raphael al Diban. Dieses könnte eine kostengünstige Alternative zu bisherigen berührungslosen Messmethoden von Oberflächenschwingungen sein. Für diese fachliche Leistung im Rahmen der Promotion an der HTWK Leipzig und an der Technischen Universität Chemnitz ehrte ihn gestern, am 29. Mai 2024, die Stiftung HTWK mit dem Dissertationspreis 2023. Zugleich würdigte sie sein soziales Engagement als ehrenamtlicher Organist und Pianist in Kirchen und Gefängnissen.
Schwingungen erkennen
Schwingungen sind in seinem Anwendungsfall – also in Fertigungsprozessen – nicht erwünscht. Denn wenn Werkstücke hergestellt werden, beispielsweise durch das Drehen, Fräsen oder Schleifen, können mechanische Schwingungen in Form von Vibrationen Ungenauigkeiten hervorrufen, die zu Formabweichungen oder anderen Qualitätsmängeln führen. „Idealerweise werden diese bereits während des Bearbeitungsprozesses erkannt, so dass zeitnah Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können, und nicht erst nachträglich“, so der 33-Jährige.
Mit der Schwingungsdiagnose von Maschinen befasste sich al Diban, der an der HTWK Leipzig Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik studierte, im Forschungsprojekt „DiagnOptik“ genauer. Im Projekt sollte ein Verfahren entwickelt werden, das zur Schwingungsdiagnose von Werkzeugmaschinen eingesetzt werden kann, um Verschleißprozesse bereits während des laufendes Maschinenbetriebs beobachten und frühzeitig entsprechende Maßnahmen einleiten zu können. „Im Projekt haben wir mit einem Gerät zur optischen Vibrationsmessung gearbeitet. Dieses war sehr teuer, weshalb ich mich gefragt habe, ob es günstige Alternativen gibt, die gegebenenfalls sogar an mehreren Punkten einer Maschine messen können“, so al Diban.
Die Idee
Im Projekt kam er schließlich mit seinen Betreuern, den HTWK-Professoren Christian Weickhardt und Mathias Rudolph, auf eine Idee: Preiswerte Leseköpfe von CD- bzw. DVD-Geräten als Schwingungssensoren zu nutzen. Denn: In den kleinen Geräten steckt bereits viel Technik. Diese lässt sich nicht nur dafür nutzen, mittels eines Laserstrahls Informationen von einem Tonträger zu erhalten und so Musik abzuspielen, sondern auch um berührungslos die Schwingungen einer Oberfläche zu detektieren. Für sein Verfahren passte er das gesamte System der Leseköpfe an die neuen Bedarfe an. Um die gewünschten Sensoreigenschaften zu realisieren, änderte er beispielsweise die Fokuslinsen und modifizierte die Leseköpfe zu kalibrierbaren Vibrationssensoren mit optimierter Handhabung. Im Verlauf seiner Entwicklungsarbeiten führte er zunächst Messungen an den Pick-ups und Simulationen durch und entwickelte schließlich einen Prototyp, den er an einer Drehmaschine auf seine Praxistauglichkeit testete.
Seine Arbeit zeigte eindrucksvoll, dass sich optische Leseköpfe zu kompakten und sensiblen Schwingungssensoren modifizieren lassen, mit denen berührungslos Aussagen zum Maschinenzustand getroffen und in Echtzeit Informationen über die Bearbeitungsqualität gewonnen werden können. „Für die Industrie, in der Digitalisierung und in der Automatisierung wird es zunehmend wichtiger, automatisiert Zustände diagnostizieren und Prozesse überwachen zu können“, so al Diban.
Seine Erkenntnisse schrieb er in seiner Promotion nieder. Diese trägt den Titel „Einsatz optischer Pick-up-Einheiten zum Condition Monitoring im Anwendungsfall eines Längsdrehprozesses“, die er an der HTWK Leipzig in Kooperation mit der Fakultät Maschinenbau an der TU Chemnitz einreichte. Im November 2022 erhielt er dafür die Doktorwürde und seine Arbeit das Prädikat „magna cum laude“ (sehr gut). Nun wurde al Diban für seine fachliche Leistung von der Stiftung HTWK mit dem Disserationspreis ausgezeichnet und zudem auch sein soziales Engagement gewürdigt.
Andere Väter zur Elternzeit während der Promotionszeit ermutigen
Neben Promotion und wissenschaftlicher Tätigkeit im Forschungsprojekt „DiagnOptik“ engagierte sich al Diban familiär und sozial: Während seiner Promotion wurde sein Sohn geboren. Da er bis dahin bereits zahlreiche Ergebnisse gesammelt hatte, nahm er sich ein Jahr Elternzeit und wollte die Ergebnisse parallel verschriftlichen. „Ich würde gerne auch andere Väter ermutigen, nicht nur zwei Monate Elternzeit zu nehmen, sondern länger. Es war zwar eine anstrengende Zeit, aber so eine tolle Erfahrung kommt nicht wieder und es stärkt die Beziehung zum Kind“, so al Diban.
Darüber hinaus war er sozial und kulturell tätig: Als ausgebildeter Organist gestaltete er Veranstaltungen der katholischen Studentengemeinde in Kirchen und Gefängnissen mit. Heute lebt der zweifache Familienvater in Kassel, arbeitet bei einer Solartechnologie-Firma als „Test Development Engineer“ und ist weiterhin musikalisch aktiv.